
Zu allen Zeiten waren Menschen auf der Flucht und sahen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Auch viele prominente Menschen der Geschichte, die für ihre wissenschaftlichen, politischen oder künstlerischen Leistungen bewundert werden, waren in ihrem Leben zeitweilig ein Flüchtling. Unter ihnen viele, die ihre Heimat Deutschland verließen.
Ihre Lebensgeschichten zeigen, dass jeder Mensch ein Flüchtling werden kann. Ihre Worte und Lebenswege machen vielleicht eine Spur das Gefühl erfahrbar, was es bedeuten kann, auf der Flucht zu sein und gezwungen in der Fremde zu leben.



















– Flüchtling Stefan Zweig in »Die Welt von gestern« (1942). Die Werke des Schriftstellers aus Österreich fielen der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten zum Opfer. Er floh 1934 zunächst nach England, 1940 über mehrere Stationen weiter nach Brasilien.»Am Tage, da ich meinen Paß verlor, entdeckte ich mit achtundfünfzig Jahren, daß man mit seiner Heimat mehr verliert als einen Fleck umgrenzter Erde.«

– Flüchtling Albert Einstein im Herbst 1933. Der Vater der Relativitätstheorie musste während des Dritten Reiches aus Deutschland fliehen und fand in den USA Zuflucht.»Ich habe mich kaum je unter den Menschen so fremd gefühlt als gegenwärtig, oder ist es eine Täuschung durch Vergessen? Das Schlimmste ist, daß nirgends etwas ist, mit dem man sich identifizieren kann. Alles brutal und verlogen.«

– Flüchtling M.I.A. nach einem Artikel der ZEIT 2005. Die britisch-tamlische Künstlerin floh mit ihrer Familie in den 1980ern vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka über Indien nach England.»Am Anfang erzählte ich allen, ich sei aus Trinidad, damit ich nicht über Sri Lanka und den Krieg sprechen musste. Ich wollte nicht sagen, dass ich ein Flüchtling bin.«

– Flüchtling Bertolt Brecht in »Steffinische Sammlung« (1940). Der Autor der „Dreigroschenoper“ (1928) floh einen Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 aus Nazi-Deutschland und begab sich mit einer Familie auf eine lange Reise u. a. über Prag, Wien, Paris, Skandinavien und Moskau ins amerikanische Exil.»Auf der Flucht vor meinen Landsleuten / Bin ich nun nach Finnland gelangt. Freunde / Die ich gestern nicht kannte, stellten ein paar Betten / In saubere Zimmer. «
– Flüchtling Bertolt Brecht in »Flüchtlingsgespräche 1940/41«.»Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.«

– Flüchtling Wolf Biermann in »Reden über das eigene Land: Deutschland« (1987). Der ursprünglich aus dem Westen in die DDR übergesiedelte Liedermacher wurde 1976 aus der DDR ausgebürgert.»Ja ja, das Bitterwort Exil. Es klingt nach Wehleidigkeit und Aufschneiderei. Wie kann man von Exil sprechen, wenn einer bloß von Deutschland nach Deutschland gejagt wurde, man behält immerhin seine liebe deutsche Sprache. Wer aber von Ost nach West geht, der muß eine grundsätzlich anders verfaßte Gesellschaft lernen. Er wechselt nicht nur die Länder, sondern Welten.«

– Flüchtling Herta Müller in einem Kommentar für Bild am Sonntag (2015). Die Nobelpreisträgerin für Literatur (2009) reiste 1987 nach Deutschland aus.»Ich war auch ein Flüchtling aus Rumänien. In Rumänien hat man von der Fluchtkrankheit gesprochen. Je mehr Menschen an der Grenze bei der Flucht erschossen wurden, um so mehr sind trotzdem geflohen. Und was war der Grund? Die Verzweiflung, Todesangst und Hoffnungslosigkeit.«
– Flüchtling Herta Müller im Interview mit Sylvia Asmus und Jochanan Shelliemam (2013).»Ich war so lange im Exil, bis Ceaușescu gestürzt ist. Das war 89. Ich war von 87 bis 89 im Exil und seither bin ich nicht im Exil. (…) Ich bleibe hier, weil ich hier sein will, weil ich nicht nach Rumänien zurück möchte…«

– Flüchtling Hans-Dietrich Genscher über seine Flucht aus der DDR im SWR-Interview. Der spätere Außenminister floh 1952 über West-Berlin in die Bundesrepublik.»Ich hatte (…) 1952 (…) die DDR verlassen. Das klingt so »die DDR verlassen«, als ob man umgezogen sei. Nein, das war ein Abbrechen aller Brücken hinter sich, mit der Ungewissheit, ob man je wieder in seinen Geburtsort zurückkehren kann. Zurücklassen, nicht nur, was man als Eigentum hatte, sondern auch die vertraute Umgebung, die Familie oder den Freundeskreis – die Heimat und alles was dazugehört. Das tut man nicht leicht, das gibt man nicht leichten Herzens auf. Aber wenn es am Ende darum geht, in Freiheit zu leben, dann findet man auch die Kraft einen solch schwerwiegenden Schritt zu tun.«

– Flüchtling Ernst Bloch. Der Philosoph der »Frankfurter Schule« wurde von den Nationalsozialisten kurz nach der Machtübernahme 1933 ausgebürgert und musste in die Schweiz auswandern. Später floh er mit seiner Familie nach Prag, beim dortigen Einmarsch der Deutschen weiter in die Vereinigten Staaten von Amerika.»Die Ausbürgerung ist ein Ehrenzeichen geworden – das einzige, das die Nazis zu verleihen imstande sind.«

– Flüchtling Anna Seghers in ihrem 1941/1942 entstandenen Roman »Transit«. Die deutsche Schriftstellerin wurde kurzzeitig von der Gestapo verhaftet, floh daraufhin zunächst über die Schweiz nach Paris, später ins Exil nach Mexiko.»Ich habe damals zum erstenmal alles ernst bedacht: Vergangenheit und Zukunft, einander gleich und ebenbürtig an Undurchsichtigkeit, und auch an den Zustand, den man auf dem Konsulaten »Transit« nennt und in der gewöhnlichen Sprache Gegenwart.«

– Flüchtling Willy Brandt im Gespräch mit Günter Gaus (1964). Der spätere Bürgermeister von Berlin und Bundeskanzler wurde von den Nationalsozialisten 1936 ausgebürgert und emigrierte nach Norwegen.»Diejenigen, die während der Nazizeit Emigranten genannt wurden, teils von der deutschen Propaganda, aber so übernommen auch in die Sprache des Volkes, waren nicht Emigranten, sondern waren politische oder rassische oder bei einigen auch religiöse Flüchtlinge. Flüchtlinge!«

– Flüchtling Erich Fried in »Der Flüchtling und die Furcht vor der Heimkehr« (1981). Der österreichische Schriftsteller emigrierte 1938 über Belgien nach London.»Ich sage absichtlich Flüchtlingszeit und nicht Emigrationszeit, (…) weil sich mit dem Begriff Emigrant der Gedanke an relative Freiwilligkeit des Auswanderns verbindet. Ich aber und die meisten meiner Schicksalsgenossen (…) hätten sonst in den Gaskammern oder KZ-Baracken geendet. Wir waren „Flüchtlinge“.«

– Flüchtling Bela Bartok über seine Emigration aus Europa 1940. Der berühmte Komponist verließ seine Heimat Ungarn aus Angst vor einem Einmarsch der Deutschen und emigrierte in die USA.»Eigentlich ist diese Reise ein Sprung ins Ungewisse aus dem gewussten Unerträglichen. (…) Weiß Gott, wie und wie lange ich dort draußen arbeiten kann.«
– Das Alte Testament in 1. Mose 12, 10 über den Wirtschaftsflüchtling Abraham.»Es kam aber eine Hungersnot in das Land. Da zog Abram hinab nach Ägypten, dass er sich dort als ein Fremdling aufhielte; denn der Hunger war groß im Lande.«

– Flüchtling Marlene Dietrich über »Nationalität« in »Das ABC meines Lebens«. Die deutsche Schauspielerin und Sängerin war mit Filmen wie »Der blaue Engel« ein international gefeierter Star des deutschen Films. 1939 wurde sie US-Bürgerin.»Es ist kein leichter Entschluß, seine Nationalität zu wechseln, selbst dann nicht, wenn man die Ansichten und Methoden, die das Geburtsland plötzlich gutheißt, verachtet. Auch wenn man sich das Gegenteil einzureden versucht: all das verleugnen zu müssen, was man als Kind zu ehren lernte, gibt einem das Gefühl von Treulosigkeit. Die Liebe und Achtung für das Land, das einen aufgenommen hat, haben damit nichts zu tun.«

– Flüchtling Walter Benjamin in einem Brief aus dem Exil in Frankreich (1935) über sein Adressbuch, aus dem er immer mehr Namen streichen musste.»Ich beginne eine Verlustliste aufzustellen, von der ich nicht weiß, ob nicht auch ich in ihr aufzufinden sein werde.«

– Flüchtling Thomas Mann in der »New York Times« (1938). Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann und seine Familie flohen vor den Nazis in die Schweiz und wanderten von dort 1938 in die USA aus.»Das Exil ist schwer zu ertragen. Aber was es leichter macht, ist die Vergegenwärtigung der vergifteten Atmosphäre, die in Deutschland herrscht. Das macht es leichter, weil man in Wirklichkeit nichts verliert. Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.«

– Flüchtling Carl Zuckmayer in seiner Autobiografie »Als wär’s ein Stück von mir« (1966). Die Werke des deutschen Schriftstellers (u. a. „Hauptmann von Köpenick“ 1931) wurden 1933 von den Nationalsozialisten verboten. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 musste er fliehen.»Die Fahrt ins Exil ist „the journey of no return“. Wer sie antritt und von der Heimkehr träumt, ist verloren. Er mag wiederkehren – aber der Ort, den er dann findet, ist nicht mehr der gleiche, den er verlassen hat, und er selbst ist nicht mehr der gleiche, der fortgegangen ist.«

– Flüchtling und Remigrant Alfred Döblin 1946. Der Autor von „Berlin Alexanderplatz“ (1929) floh 1933 aus Deutschland und kehrte später nach Europa zurück.»Und als ich wiederkam, da – kam ich nicht wieder. (…) Du bist nicht mehr der, der wegging, und du findest das Haus nicht mehr, das du verließest. Man weiß es nicht, wenn man weggeht; man ahnt es, wenn man sich auf den Rückweg macht, und man erfährt es bei der Annäherung, beim Betreten des Hauses.«

– Flüchtling Nelly Sachs in einem Brief an Dagrun Enzensberger (1959). Nelly Sachs floh 1940 vor der drohenden Deportation durch die Nazis nach Schweden.»Wenn man einmal auf der Flucht einen Stein gestreichelt hat, weil es das erste war, worauf man sich niederließ in einem freien Land – so hat man niemals mehr ein nahes Verhältnis zu allem, was nicht ganz direkt zum Dasein dient.«
– Flüchtling Andreas Kieling in einem Statement für die ZEIT 2015. Der Tierfilmer und Weltreisende floh 1976 aus der DDR in die BRD.»Mit 16 Jahren schwamm ich 1976 durch die Donau, wurde dabei durch den Schuss eines tschechoslowakischen Grenzsoldaten lebensgefährlich verletzt. Ich schaffte es gerade so ins nächste Dorf. (…) Ich fühlte mich hilflos; und ich denke, heutigen Flüchtlingen wird es ähnlich gehen. (…) Mein Freiheitsdrang trieb mich in die Welt. Ich wünsche mir, dass andere dieselben Chancen erhalten.«
Peter Paul Rubens war ein Kind von Kriegsflüchtlingen, die als verfolgte Calvenisten 1568 nach Köln flohen
Giacomo Casanova floh nach einer Verhaftung 1756 aus den Bleikammern Venedigs
Johann J. Astor verließ aus wirtschaftlicher Not Baden und erreichte 1784 die USA
E. I. du Pont musste 1799 als Oppositioneller Napoleons in die USA emigrieren
Frédéric Chopin entschloss sich in unruhigen Zeiten 1831 nach Paris zu gehen
Henri Nestlé floh 1833 vor revolutionären Unruhen in die Schweiz
Levi Strauss wanderte 1847 aus wirtschaftlicher Not mit seiner Mutter in die USA aus
Karl Marx ging 1849 als politischer Flüchtling ins Londoner Exil
Carl Schurz floh 1850 als Revolutionär von 1848/1849 über England in die USA
Victor Hugo wurde 1851 von Napoleon aus Frankreich verbannt
Sitting Bull floh 1877 vor der US-Armee ins Exil nach Kanada
Clara Zetkin musste im Laufe ihres Lebens mehrmals ins Exil gehen
Aristoteles Onassis floh 1922 als verfolgter Christ vor dem Griechisch-Türkischen Krieg nach Argentinien
Peter Lorre ging aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1933 ins Exil in die USA
Paul Klee ging nach der Machtergreifung der Nazis ins Schweizer Exil
Ernst Toller wurde 1933 von den Nationalsozialisten ausgebürgert
Fritz Kahn floh 1933 nach seiner Ausweisung aus Deutschland nach Palästina
Fritz Kahn emigrierte nach dem Entzug der Lehrerlaubnis 1933 in die USA
Judith Kerr floh 1933 vor den Nazis mit der Familie nach England
Ken Adam siedelte 1934 mit seiner Familie nach England über
Oskar Kokoschka emigrierte vor den Nazis 1934 nach Prag, 1938 nach London
Henry Kissinger verließ 1938 Bayern, um der Verfolgung durch die Nazis zu entfliehen
Carl Djerassi floh 1938 nach dem Anschluss Österreichs mit seinen Eltern aus Wien
Fritz Stern emigrierte 1938 mit seiner Familie vor den Nazis in die USA
Robert Capa floh nach mehreren Stationen in Europa 1939 in die USA
Max Brod floh 1939 vor den Nazis aus der Tschechoslowakei nach Palästina
Madeleine Albright floh 1939 vor den Nazis und 1948 vor den Kommunisten
Hannah Arendt verließ 1941 Nazideutschland Richtung USA
Gloria Estefan floh 1958 als Kleinkind mit ihren Eltern vor der Kubanischen Revolution in die USA
Didi Hallervorden floh 1958 aus der DDR nach Westberlin
Tenzin Gyatso floh 1959 aus dem von China besetzten Tibet und lebt im Exil
Miriam Makeba durfte 1959 nicht wieder in ihre Heimat Südafrika einreisen
Rudolf Nurejew floh bei einem Auftritt 1961 aus der Sowjetunion in den Westen
Peter Fechter wurde 1961 beim Fluchtversuch an der Berliner Mauer erschossen
Gerhard Richter floh 1961, kurz vor dem Bau der Mauer, aus der DDR nach West-Berlin
Andy Garcia floh als Kind 1961 mit seinen Eltern von Kuba in die USA
Freddie Mercury flüchtete als vefolgter Parse 1964 mit seiner Familie aus Sansibar nach London
Gilberto Gil musste Ende der 1960er seine Heimat Brasilien verlassen
José Ramos-Horta musste Anfang der 1970er für zwei Jahre Osttimor verlassen
Isabel Allende floh nach einem Militärputsch 1973 aus ihrer Heimat Chile
Bob Marley verließ 1976 nach einem Attentat mit seiner Frau Jamaika
Milan Kundera siedelte 1978 aus dem Ostblock nach Paris über
Jasmin Tabatabai verließ während der Islamischen Revolution 1978 ihre Heimat Iran
Wyclef Jean floh als Kind 1982 mit seinen Eltern von Haiti in die USA
Mateo Jaschik folgte Mitte der 1980er seiner aus Polen geflüchteten Mutter nach West-Berlin
Alek Wek flüchtete 1985 mit Ihrer Familie vor dem sudanesischen Bürgerkrieg nach England
Susanne Daubner floh 1989 aus der DDR über Ungarn und Jugoslawien in die BRD
Gao Xingjian ging in den 1980ern aus seiner Heimat China ins franzöische Exil
Mika flüchtete 1984 mit seinen Eltern vor dem Bürgerkrieg aus dem Libanon
Rigoberta Menchú musste Anfang der 1980er aus Guatemala nach Mexiko fliehen
Jawed Karim floh Anfang der 1990er mit seiner Familie vor Fremdenfeindlichkeit aus Deutschland in die USA
Julian Assange lebt aus Angst vor einer Auslieferung im Botschafts-ExilTitelbild: Einwohner von Marquette, Frankreich, auf der Flucht im Ersten Weltkrieg (1916). Bundesarchiv, Bild 146-2008-0058, CC-BY-SA 3.0